Kirchengemeinde Lindenhardt
ANDACHT
Liebe Gemeinde,
,,lrgendwie gings immer weiter," sagt mir ein alter Mensch im Rückblick auf
sein Leben. lch höre von vielen schweren Umbrüchen: Von Flucht und Vertreibung nach dem Krieg. Von Armut und Krankheit. Von schmerzlichen Verlusten in der Familie. Aber auch die stetig gereifte Lebenserfahrung:
,,lrgendwie gings trotzdem immer weiter." Und wenn es immer irgendwie
weiter ging, dann wird es auch in Zukunft weiter gehen-irgendwie. So klingt
vielleicht kein strahlender Optimismus-aber doch die trotzige Zuversicht,
dass das Leben trotz allem weitergeht.
Manchmal kann einem sogar diese letzte Zuversicht verloren gehen. So ging
es mit Sicherheit etlichen im Volk lsrael im 6. Jahrhundert vor Christus, als die
Großmacht der Babylonier das Königreich Juda erobert hatte, Jerusalem zerstört und den Tempel Gottes dem Erdboden gleichgemacht hatte, weil die
Fürsten und Könige lsraels sich in Kriegen verzettelt hatten, die ihnen zu groß
waren. Die Leidtragenden waren wie so oft nicht nur die, die den Konflikt
angefangen hatten, sondern das ganze Volk. lm biblischen Buch der Klagelieder wird davon drastisch erzählt: Von hungernden Säuglingen die im Schoß ihrer hilflosen Mütter schreien, von den Alten, die im Staub der Straße liegen, von verödeten Trümmerbergen und dem gellenden Lachen der Feinde-und von einem Gott, der zu all dem die Augen und Ohren verschließt. Bilder, die in diesen Tagen an das Elend in der Ukraine, in Gaza, im Sudan, im Jemen,
und an so vielen Orten...
Doch in der Mitte des Buches, inmitten der bitteren Klagelieder, dringt ein
Hoffnungsstrahl ans Licht:
,,Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit
hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist
groß." (Klagelieder 3,22-23)
Gottes Güte ist trotz allem nicht am Ende. Seine Geschichte mit seinem Volk
endet nicht, selbst an den tiefsten und dunkelsten Punkten. So hat es das
Volk lsrael in der Bibel immer wieder erfahren dürfen-und von dieser Erfahrung lesen wir: ,,lrgendwie gings trotzdem immer weiter."
In der Erinnerung an überwundenes Leid finden auch heute noch Menschen
Trost und ein Zeichen dafür, dass auch in dunklen Stunden Gottes Güte nicht
am Ende war. Der Blick zurück kann so zum hoffnungsvollen Blick in die Zukunft helfen. lch wünsche lhnen, dass auch Sie diese Erfahrung machen durften und dürfen: Gottes Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß-Gottes Treue geht immer weiter.
lhr Pfarrer Severin Waqner